Mein Weg war nicht immer so klar definiert, wie im Moment, ich bin über Umwege dahin gekommen, wo ich jetzt bin.
Das Wichtigste waren für mich immer; die Hände! Hände die Dinge erschaffen und kreieren, an denen man sich erfreuen kann. Und ich saß ganz Teenager-untypisch lange zu Hause und habe gehäkelt, gestickt und genäht. Wenig später trat ich der Trachtengruppe Schömberg bei und blieb aktiv im Verein. Und schon damals fiel mir eines ganz massiv auf; Trachtengruppen halten sich an eine bestimmte Art der "Uniformierung", Jede und Jeder trägt mehr oder wenige das Selbe, das ist so gewollt, das ist völlig okay. Aber bei den Feinheiten mangelte es dann doch, schlicht, weil nicht vorhanden. Omas alten Schmuck ist nicht mehr tragbar, verschwunden, wurde verschenkt, verkauft,... die Liste ist lang. Wenige trugen noch ihren originalen Schmuck dazu und mangels globale Vernetzung und Informationsfluss des Internets war eine Wiederbeschaffung extrem schwierig.
Ich blieb im Verein, bis ich meine Ausbildung 1995 mit 15 Jahren begonnen hatte. Ich lernte Arzthelferin (Damals hiess die medizinische Fachangestellte noch so) bei Herrn Dr. med. Krause in Engelsbrand, der mittlerweile leider in Rente gegangen ist. Nach der Ausbildung tingelte ich eine Weile im Einzelhandel mangels Jobangebot im medizinischen Bereich herum, bis ich eine Anschlussausbildung zur MfA, medizinischen Fachangestellten mit Schwerpunkt Labor gemacht habe. Der Job als "Laborratte" hat mir ziemlich gut gefallen, aber da um die Jahrtausendwende die Krankenkassenpolitik sehr zum Nachteil für Fachpersonal wie uns verändert hatte, gab es im Anschluss auch hier keine Jobs.
Ich hatte aber ein neues Hobby gefunden, das sich mit dem, was ich sonst so machte, überein stimmte; Living History. Das heisst, das nachstellen einer bestimmten Epoche so genau wie möglich für kurze Zeit. Und bei mir war es das Spätmittelalter, als ich dann meinen jetzigen Ehemann im Hobby kennenlernte, kam die Zeit um 1200 auch noch dazu. Natürlich gibt es keine Läden und Shops, die mit Pflanzenfarben gefärbte, per Hand genähte authentische Kleidung für die Zeit verkaufen (doch, einen gab es, aber der war unbezahlbar), also kamen meine Hände zum Einsatz. Von der Cotta der Magd bis zur Adelsklamotte und zum Sonnensegel habe ich alles per Hand genäht, sogar unsere Brautkleider! Allerdings bin ich jemand, das erfüllt mich, wenn ich Nadel und Faden in der Hand habe, ist die Welt für mich in Ordnung, in der Zeit habe ich dann meinen bekloppten Hang zu textilen Handarbeiten entdeckt - allerdings bin nicht nur ich so bekloppt ;)
Aber beiden Textilien blieb es nicht, in der Zeit lernte ich auch einen anderen Mitstreiter aus dem Hobby kennen, Thorsten Seifert. Er hatte seine Ausbildung als Goldschmied gemacht und stellte traumhaften Schmuck her, u. A. auch unseren Hochzeitsschmuck nach dem Grabschatz der Kaiserin Gisela. EIn Künstler am Feinamboss, wirklich. Er hat mir vieles gezeigt, bei anderen Dingen habe ich mich weiter gebildet und so begann ich dann für mich selbst mit Edelsteinen und Edelmetall auszuprobieren und zu experimentieren.
Innerhalb des Hobbies lernte ich meinen Mann Alexander aus dem Siegerland kennen, er machte wie ich Living History und bis heute, 18 Jahre später, sind wie im Hobby noch immer fast nur im Doppelpack anzutreffen. Wir zogen schnell hier in Calw zusammen, wo er nach seinem Krankenpflege-Examen einen Job fand, heirateten und bekamen nach zwei Jahren unsere Tochter. Ich blieb lange mit ihr zuhause, in der Zeit ruhten meine Hände allerdings nicht! Leider starb meine Oma, bei der ich aufgewachsen bin und da sie mir immer alles gestrickt hatte, was ich brauchte, musste ich eben selber ran und hab mir dann das Stricken beigebracht - bis dahin konnte ich nur Socken stricken, aber das hat als Grundwissen ausgereicht.
Ich stolperte dabei über das Schwarzwaldwolloutlet und fragte wenig später die Inhaber, Oliver und Holger (Ich habe mich lange nicht getraut zu fragen), ob er nicht noch jemand für den Verkauf bräuchte. Das war dort toll, die sind alle genauso verrückt nach Nadel und Wolle wie ich, dachte ich mir. Zunächst arbeitete ich nur Samstags dort, dann auch nachmittags und irgendwann boten Oliver und Holger eine Festanstellung an und so bin ich jetzt schon seit fast 5 Jahren im Schwarzwaldwolloutlet, sogar mit einer stillen Teilhaberschaft.
Seit der Zeit hat sich so einiges getan, die Covid-19-Pandemie, rollte über die Ladenlandschaft, ein Umzug in eine günstiger gelegene Lokation, Anbieterwechsel und nicht zuletzt die Auswirkungen der nationalen und Internationalen Politik auf uns und die Verbraucher - aber es gibt uns immer noch. Ich brauche eigentlich immer jemanden in meiner Umgebung, der 'einen Plan hat' und mir ab und an den Kopf gerade rückt und Oliver, der Gründer und Denker des Outlets, ist so einer. Mittlerweile ist er nicht mehr nur mein Chef, sondern auch mein Freund und ich muss sagen, hätte ich ihn nicht getroffen, hätte ich mein kleines Online-Geschäft gar nicht und wäre nicht da wo ich jetzt bin.
Im Schwarzwaldwolloutlet biete ich im Herbst und Winter Handarbeitskurse an für Alle, die stricken und häkeln, oder etwas ganz Bestimmtes lernen wollen. Das war durch Covid-19 lange Zeit nicht möglich und Viele brauchen einen Ansprechpartner aus Fleisch- und Blut und nicht eben 'nur' eine Anleitung. Zeitgleich dazu biete ich einen kleinen Schneiderservice im Laden an, für die kleine Reparatur an den Kleidern. Und mein Schmuck? Den habe ich jahrelang im stillen Kämmerlein ganz für mich alleine gemacht, vor zwei Jahren habe ich es jemanden hier aus dem Ort erzählt und man weiss, was dann passiert; es spricht sich rum. Und daraus wurde dann ein Selbstläufer. Oliver war derjenige, der mich auf die Idee brachte, das alles in geordnete Bahnen zu bringen und mir was aufzubauen.
Tja und jetzt sitze ich da, schreibe mit einer Hand, weil meine Katze Sunny gekrault werden will. Meine beiden Kätzchen habe ich im Übrigen auch dank Oliver, pelzige Herzchen auf vier Pfoten.